Salutogenese

Der amerikanische Medizinsoziologe Aaron Antonovsky entwickelte in den 1970er Jahren das Modell der Salutogenese. Darunter versteht er dynamische Prozesse, die zur Entstehung und Erhaltung von Gesundheit führen.

 

Manche Menschen haben gewaltige körperliche und seelische Strapazen erleiden müssen. Dennoch sind sie nicht erkrankt – entgegen allen Lehrmeinungen der Medizin. Auch im Alltag entwickeln bestimmte Menschen erstaunliche Widerstandskräfte gegen körperliche Erkrankungen, und nicht immer verdanken sie ihr Wohlbefinden einer gesunden Lebens- weise. Ganz im Gegenteil, sie leben mitunter „ungesund“ und sind dennoch gesund. Trotz nachgewiesenem Risiko stirbt nicht jeder Raucher bzw. jede Raucherin an Lungenkrebs und nicht jeder bzw. jede Übergewichtige an Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Was hat, so die Frage, diese Menschen „wie ein Fels in der Brandung“ nahezu unversehrt gehalten?

 

Aaron Antonovsky nahm diese Beobachtung früh in den Fokus. Ihm ging es nicht darum, Antworten auf die Frage zu finden, was Menschen tun und lassen müssen, um dem Risiko von Krankheiten auszuweichen.  

Er suchte nach Erklärungen für Gesundheit jenseits des Musters der Risikovermeidung. So entwickelte er eine neue Blickrichtung auf den Zu- sammenhang zwischen Gesundheit und Krankheit. Bereits die Fragestellung, der er folgte, unterschied sich von herkömmlichen Ansätzen: Warum bleiben Menschen gesund? Wie gelingt es ihnen, sich von Krankheit zu erholen? Wie wird ein Mensch mehr gesund und weniger krank?

 

Antonovsky sieht eine zentrale Aufgabe des Organismus darin, Stress zu bewältigen. Die Bewältigung hat motivierende, gesunderhaltende und sogar gesundheitsstärkende Wirkung („positiver“ Stress oder Eustress).

 

Ressourcen für die Gesundheitserhaltung

 

Antonovsky forschte nach Einflussfaktoren, die eine erfolgreiche Bewältigung der Anforderungen des Lebens erleichtern und die Gesundheit erhalten und verbessern.

 

Nach seinen Erkenntnissen sind es vor allem personale, familiäre und soziale Ressourcen, die die Widerstandskräfte eines Menschen stärken.

 

  • Zu personalen Ressourcen zählen zum Beispiel Optimismus und Selbstwirksamkeitserwartung. Optimismus beschreibt die generelle Zuversicht, dass sich die Dinge positiv entwickeln. Selbstwirksamkeitserwartung meint die Überzeugung, über notwendige Kompetenzen zu verfügen, um mit verschiedenen Anforderungen umgehen zu können. 
  • Zu familiäre Ressourcen zählen beispielsweise familiärer Zusammenhalt und Erziehung der Eltern bzw. eines Elternteils.
  • Zu soziale Ressourcen gehören schließlich etwa soziale Unterstützung von Gleichaltrigen und Erwachsenen.

 

Das Kohärenzgefühl – Geheimnis der Gesundheit

 

Positive Erfahrungen durch gelungene Bewältigung stärken das Selbstvertrauen und führen zu einer Stärkung der Widerstandsressourcen.

 

Antonovsky nennt die aus den Erfahrungen gewonnene innere Haltung Kohärenzgefühl. Das Kohärenzgefühl ist Maß für ein Gefühl des Vertrauens und wird durch die Merkmale Sinnhaftigkeit, Verstehbarkeit und Handhabbarkeit bestimmt.

 

- Verstehbarkeit: Menschen mit ausgeprägtem Kohärenzgefühl erleben die Welt als strukturiert, vorhersehbar und erklärbar. Gleiches gilt für ihre inneren Erfahrungs- zustände. Ebenso haben gesunde Menschen mit ausgeprägtem Kohärenzgefühl das Gefühl, dass auch andere Menschen sie verstehen. Diese Verstehbarkeit ordnet Anto- novsky der kognitiven Seite des Erlebens zu.

 

– Handhabbarkeit: Hinter dem Gefühl der Handhabbarkeit der Welt steht die Überzeu- gung, generell geeignete Ressourcen an der Hand zu haben, um Probleme und He- rausforderungen zu bewältigen. Schwierigkeiten, so die Überzeugung, sind zu meis- tern – gleichgültig, ob der Betreffende sie selbst löst, ob er sich auf andere verlässt oder einer höheren Macht vertraut. Auch Handhabbarkeit wird der kognitiven Seite des Erlebens zugeordnet.

 

– Bedeutsamkeit, Sinnhaftigkeit: Menschen mit hochgradigem Kohärenzgefühl halten ihr Leben, ihre Biografie und ihr Tun für sinnvoll. Die Aufgaben sind es wert, dass man Energie in ihre Lösung investiert – gleichgültig „wie die Sache ausgeht“. Men- schen mit viel Kohärenzgefühl werten ihr Leben als interessant, lebenswert und schön. Diese Komponente „Sinnhaftigkeit“ ordnet Antonovsky als affektiv-motivatio- nale Komponente im Salutogenesemodell ein. Sie gilt unter den drei Komponenten des Kohärenzgefühls als wichtigstes Element.

 

Das Kohärenzgefühl beschreibt nach Antonovsky das „Geheimnis der Gesundheit“. Es unterstützt die Bewältigung selbst schwerer Belastungen und schützt den Menschen vor gesundheitsschädlichen Auswirkungen.